文摘
Seit 2011 haben Fachärzte aus Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung in Baden-Württemberg die Möglichkeit durch eine 24-monatige Weiterbildung in einer weiterbildungsbefugten Hausarztpraxis den Facharzt für Allgemeinmedizin zu erwerben. Dieser sogenannte „Quereinstieg“, der vom deutschen Ärztetag als ein Instrument gegen den zunehmenden Hausärztemangel beschlossen wurde, wird unter Hausärzten kontrovers diskutiert.FragestellungZiel der Studie war die Beweggründe der „Quereinsteiger“ für einen Wechsel in das Fach Allgemeinmedizin zu erheben.MethodenInnerhalb des strukturierten Weiterbildungsprogramms Verbundweiterbildungplus Baden-Württemberg wurden alle Quereinsteiger für das Fach Allgemeinmedizin identifiziert. Unter diesen wurden Teilnehmer für ein semi-strukturiertes Telefoninterview rekrutiert. Die Interviews wurden nach dem Prinzip der qualitativen Inhaltsanalyse im Konsensverfahren mit drei Wissenschaftlern ausgewertet.ErgebnisseVon den 597 Teilnehmern der Verbundweiterbildungplus Baden-Württemberg gaben 36 auf Nachfrage an, die Facharztausbildung Allgemeinmedizin im Quereinstieg gewählt zu haben. Es wurden 15 Interviews mit Freiwilligen mit einer durchschnittlichen Dauer von 24 Minuten durchgeführt. Die Teilnehmer waren im Median 40 Jahre (33–59 Jahre) alt und hatten im Durchschnitt 6.5 Jahre Berufserfahrung als Facharzt. Die Mehrheit der Teilnehmer waren Fachärzte für Anästhesie (n = 7), gefolgt von Chirurgie (n = 3) und Innere Medizin (n = 3). Hauptmotive für den Wechsel in die Allgemeinmedizin waren der Wunsch, den „ganzen Menschen“ in seinem sozialen Kontext zu begleiten, sowie das breite Spektrum der medizinischen Tätigkeiten. Ein weiteres Hauptmotiv für den Wechsel waren die guten Niederlassungsmöglichkeiten. Die Quereinsteiger berichteten von einer hohen Arbeitsbelastung im Krankenhaus und erhofften sich von dem Wechsel in die Allgemeinmedizin dauerhaft günstigere Arbeitsbedingungen. Die Mehrheit der Teilnehmer hätte ohne die Möglichkeit des Quereinstiegs oder die finanzielle Förderung der Kassenärztlichen Vereinigung keinen Wechsel in die Allgemeinmedizin vollzogen.DiskussionQuereinsteiger streben die Facharztbezeichnung Allgemeinmedizin wegen der spezifisch-hausärztlichen Arbeitsweise, den guten Niederlassungsmöglichkeiten und den als günstiger empfundenen Arbeitsbedingungen an. Die Vermittlung von spezifisch-allgemeinmedizinischen sowie betriebswirtschaftlichen Kompetenzen sollte daher in der nur zweijährigen Weiterbildung der Quereinsteiger - z.B. durch die Teilnahme an einem strukturierten Verbundweiterbildungsprogramm - sichergestellt werden. In weiteren Studien sollte untersucht werden, ob das Modell Quereinstieg in die Allgemeinmedizin tatsächlich zu einer höheren Zahl von in der unmittelbaren Patientenversorgung tätigen Hausärzten führt.